Hohe Systempreise und kontinuierlich sinkende Einspeisevergütungen lassen einen wirtschaftlichen Betrieb von neu installierten Photovoltaik-Anlagen zukünftig kaum mehr zu. Eine EUPD Research Analyse legt offen, dass die Stromgestehungskosten bei einer neu installierten PV-Kleinanlage im November 2021 bereits 4,5 Eurocent über der aktuellen Einspeisevergütung je Kilowattstunde (kWh) liegen. Die Amortisationszeit einer Neuanlage erhöht sich bereits in 2023 auf fast 22 Jahre. Eine Anpassung des gesetzlichen Rahmens im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist daher dringend notwendig.
Bonn. Nach einem kontinuierlichen Anstieg der jährlichen Installationszahlen seit Mitte der letzten Dekade, hat sich der Wachstumspfad im deutschen Photovoltaik-Markt im Jahr 2021 merklich verlangsamt. Vor dem Hintergrund einer global zunehmend bedrohlichen Klimakrise und angesichts vermehrter Extremwetterlagen auch in Deutschland, wäre eigentlich von einem Solarboom auszugehen, doch das Gegenteil ist der Fall. Die Gegenüberstellung der Neuinstallationen auf Monatsebene aus 2020 und 2021 zeigt, dass es im März und April dieses Jahres noch einen Sondereffekt aufgrund der neu eingeführten Ausschreibungen für Aufdachanlagen ab 300 kW gab. Im August und im September übertrafen die 2021er Zahlen die Vorjahreswerte gerade einmal um neun bzw. sechs Prozent.
Ursächlich für die stark verminderte Wachstumsdynamik zeigt sich die gegenläufige Entwicklung von Photovoltaik-Systempreisen und den garantierten Einspeisevergütungen für solare Neuanlagen. Das unlängst publizierte Strategiepapier „Paragraph 49 EEG als Barriere der dezentralen Energiewende“ des Bonner Markt- und Wirtschaftsforschungsunternehmens EUPD Research, analysiert die Auswirkungen dieser Situation auf dem deutschen Markt und stellt eine Kurzfristprognose der PV-Installationen bis 2023 auf. Zentral ist hierbei die Divergenz steigender PV-Systempreise, die sich in der entsprechenden Zunahme der solaren Stromgestehungskosten ausdrücken, und der stetig sinkenden Einspeisevergütungen für neu installierte PV-Anlagen. Für eine im November 2021 neu installierte PV-Kleinanlage bis zehn kWp ergeben sich Stromgestehungskosten von 11,5 Eurocent je kWh. Der eingespeiste Solarstrom hingegen wird nur noch mit 7,03 Eurocent je kWh vergütet, sodass mit jeder ins Stromnetz eingespeisten Kilowattstunde ein Verlust von 4,5 Eurocent beim Anlagenbetreiber entsteht.
Der wirtschaftliche Betrieb einer Photovoltaik-Anlage ist demnach einzig durch einen möglichst hohen Eigenverbrauch des selbst erzeugten Solarstroms möglich. Um folglich die Überschusseinspeisung der Photovoltaik-Anlage zu minimieren, resultiert daraus die Installation von deutlich kleiner dimensionierten Anlagen. „Wenngleich es aus Sicht der Solaranlagenbetreiber verständlich ist, führt die aktuelle Situation zu Ineffizienzen. Einerseits werden aufgrund der kleineren gewählten Anlagengröße Dachflächen nicht mehr optimal hinsichtlich deren potentiellen Solarertrag ausgenutzt, sondern auf den aktuellen Eigenverbrauch optimiert, sodass der Gesellschaft hohe Flächenpotentiale verloren gehen. Andererseits sind kleinere Photovoltaik-Anlagen tendenziell teurer und folglich deren Stromgestehungskosten höher, sodass ein wirtschaftlicher Betrieb schwieriger zu realisieren ist.“, resümiert Dr. Martin Ammon, Geschäftsführer von EUPD Research.
Mit der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) zum 1. Januar 2021 wurden zwar wichtige Anpassungen des gesetzlichen Rahmens zum Ausbau der erneuerbaren Energien vorgenommen, jedoch ein entscheidender Mechanismus – die Degression der Einspeisevergütung im Paragraph 49 EEG – blieb hiervon ausgenommen. Wie massiv die Auswirkungen einer überproportional stark sinkenden Einspeisevergütung im Kontext steigender Systempreise auf die Entwicklung des deutschen Photovoltaik-Marktes einwirkt, lässt sich aus den Amortisationszeiten einer im September des jeweiligen Jahres neu installierten PV-Kleinanlage bis 10 kWp ablesen. Nach einer deutlichen Erhöhung der Amortisationszeit um fast vier Jahre von 2020 auf 2021 wird auch in den Folgejahren von einer Verschlechterung der Amortisationszeiten ausgegangen, sodass eine in 2023 neu installierte solare Kleinanlage sich erst nach knapp 22 Jahren refinanziert hat.
Zur Umsetzung der Klimaziele und zur Vermeidung einer Stromerzeugungslücke muss der jährliche PV-Ausbau in Deutschland von derzeit rund fünf GW in den kommenden Jahren auf jährlich 20 GW vervierfacht werden. Dieser notwendige Ausbaupfad muss sich in den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Paragraphen 48 und 49 EEG zwingend widerspiegeln. Daneben gilt es, mit einer einmaligen Anhebung der Einspeisevergütung zeitnah die hohe Förderdegression der letzten Monate auszugleichen sowie einen kurzfristig drohenden PV-Markteinbruch mittels einer Reform des EEG-Degressionsmechanismus unter Einführung eines „beidseitig atmenden Deckel“ zu verhindern. Mit weiteren Maßnahmen, wie einer Anhebung der Ausschreibungsgrenze für PV-Aufdachanlagen, der Ausweitung des abgabenfreien Eigenverbrauchs von Solarstrom, dem Abbau bürokratischer Barrieren sowie der Etablierung langfristiger Planungssicherheit für Anlagenbetreiber, soll der Photovoltaik-Standort Deutschland nachhaltig gestärkt werden.
Dieses Studienprojekt konnte durch die Unterstützung von BayWa r.e., E3/DC, IBC Solar, K2 Systems und SHARP gemeinsam mit dem Initiator BSW Solar und dem Partner The smarter E Europe realisiert werden. Das Strategiepapier „Paragraph 49 EEG als Barriere der dezentralen Energiewende“ kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.